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In den letzten Monaten versuchte ich bewusst, etwas Abstand zum Schmerzgeschehen aufzubauen.
Ich hatte die Nase einfach gestrichen voll, dass diese Thematik meinen Alltag dominiert und wenn ich dann ständig darüber schreibe, dominiert es ja wieder.
Erfreulicherweise machte ich von Mitte Dezember bis Mitte Februar die Erfahrung, schmerzfrei zu sein und mich Schritt für Schritt aus der Spirale zu ziehen. Frag mich bloss nicht, wie viele Jahre das her ist, seit ich ein paar aufeinanderfolgende Tage schmerzfrei war…. geschweige denn Wochen!!
Das war ein ganz neues Leben, mit der Ironie dahinter, dass ich es nicht ausschöpfen konnte, weil die Schweiz sich im Lockdown befand -.-
Befreiend war es trotzdem.
Während dieser Zeit kam ich doch immer mal wieder ins Reflektieren und es fielen mir Dinge auf, von denen ich das eine oder andere hier in diesem Artikel mit dir teilen will.
Es kann sein, dass dir als Betroffener einige Punkte bekannt vorkommen.
Es kann auch sein, dass dir als Angehöriger oder als Umfeld einige Punkte bekannt vorkommen.
Es kann auch sein, dass dir einige Punkte einfach als Inputs oder Denkanstösse dienen.

4 typische Gedanken, die einem chronischen Brummschädelbetroffenen ständig durch den Kopf gehen



«Hoffentlich fällt es niemandem auf.»

Im Berufsalltag oder auch Zuhause wird vorausgesetzt, dass du funktionierst. Es wird vorausgesetzt, dass du belastbar bist und den Tag mit all seinen Herausforderungen bewältigen kannst.
Wenn du «negativ» auffällst, könnte dieses Bild zerstört werden oder du wirst einer Bewertung anderer unterzogen, gegen die du schlussendlich nur noch wenig Chancen hast. Also hoffst du ständig, deine Maske nicht zu verlieren.
Desweiteren gerätst du in Klärungsbedarf, wenn du darauf angesprochen wirst und du hast schlichtweg einfach keinen Bock darauf, deinen Standpunkt jedes Mal von Neuem vertreten zu müssen oder bemitleidet zu werden.
Zu guter Letzt kannst du es am wenigsten gebrauchen, mit «guten» Ratschlägen versorgt zu werden, die zu schiessen kommen, wenn es doch jemandem auffällt. Vermutlich wird es niemals absichtlich bös gemeint, aber als chronischer Brummschädelbetroffener bist du ein Experte für dich selbst und weisst in der Regel bestens Bescheid, was dir wann gut tut.


«Ich habe Angst, meine Leistung nicht erbringen zu können.»

Schmerzen schränken die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit stark ein. Das hat Auswirkungen auf die Leistung. Bist du unkonzentriert, passieren Fehler. Je nach Tätigkeit ist das verheerend.
Mit diesen Angst- und Katastrophengedanken manövriert sich der Betroffene in eine gefährliche Spirale, kommt in einen Anspannungszustand und provoziert dadurch noch mehr Schmerzen.
Betroffene wollen genauso leistungsfähig sein, wie ihr Umfeld. Sie wollen nicht in die Schussbahn von Spott, Gelächter, im schlimmsten Fall von Mobbing, geraten «nur» weil ihnen der Schädel ständig brummt. Das führt oftmals auch dazu, dass sie perfektionistisch werden, sich mehr und mehr aufgabeln, ja sie sich beweisen wollen. Und das alles unter anderem aus Angst.
Angst, nicht dazu zu gehören.
Angst, ein Aussenseiter zu werden.
Angst, nicht anerkannt zu werden.
Angst, und so weiter und so fort.


«Eigentlich mag ich gar nicht mehr.»

Nun male jetzt mal nicht den Teufel an die Wand. Damit meine ich nicht irgendwelche Suizidgedanken. Obwohl ich es nicht komplett ausschliessen kann. Ich will auf etwas anderes hinaus.
Da rackerst du zusammen mit deinem Brummschädel den ganzen Tag eins ab und bist abends noch mit deinen zwei besten Freuden zum Essen verabredet. Eigentlich möchtest du nach der Arbeit einfach nur noch ins Bett, weil du so erschöpft bist. Aber du willst deine Freunde nicht enttäuschen, schleppst dich ins Restaurant und machst eins auf happy.
«Das sind doch nur Kopfschmerzen. Jammere mal nicht so rum, das kann doch nicht derart Einfluss auf dein ganzes Gemüt nehmen.» Und wie es das kann. Insbesondere, wenn es chronifiziert ist. Das Ganze steht ständig in einem Wechselspiel mit dem ganzen Körper, der Psyche und dem allgemeinen Wohlbefinden. Das geht oftmals vergessen.
Oder du stehst morgens mit einem Megakracher auf und weisst genau, dass auf der Arbeit ein voller Terminkalender auf dich wartet. Des Friedens willen haust du dir das kleine runde Ding rein, betäubst dich und stehst während den Terminen Rede und Antwort.
Dein ständiger Begleiter in diesen Alltagssituationen: «Eigentlich mag ich gar nicht mehr.»
Dieser und weitere Gedanke engen den Betroffenen mit der Zeit immer mehr ein. Er befindet sich in einer Art Tunnel, ohne dass er es wirklich will. Manchmal braucht er dann jemanden, der ihm eine Taschenlampe anbietet, damit er den Weg aus dem Tunnel wieder rausfindet.


«Frag mich bloss nicht, wie es mir geht.»

Vermutlich muss ich dir nicht erzählen, dass die Aussage «Danke mir geht`s gut» eine der häufigsten Lügen ist, die es in der Menschheit gibt, weil du genauso zu diesen Menschen gehörst – nicht wahr? 😉
Und dann auch noch die schreckliche Gegenfrage: «Und wie geht` s dir?» die mit dem vermutlich fast gleich hohen Prozentsatz an Nichtinteresse gestellt wird, wie erstere und einfach nur aus purer Höflichkeit ausgesprochen wird. Was sind wir doch eine gut erzogene Spezies…..
Nun gut, das sei dahin gestellt.
Sorry.
Gerade weil es brummt und der Betroffene eh schon zermürbt, erschöpft und vielleicht noch traurig, frustriert, verängstigt, oder was auch immer ist, wird der Schmerz in diesem Moment vermutlich das Letzte sein, worüber er jetzt noch reden will. Naja, wie auch die anderen Gedanken, ist das sehr typenabhängig. Aber viele möchten das mit sich selbst ausmachen. Ich sage nicht, dass das gut ist, aber ich kann es sehr gut nachvollziehen. Der Betroffene möchte das Gegenüber nicht «unnötig» belasten. Er möchte nicht, dass sein Gesprächspartner sich sorgen macht. Das ist die eine Seite. Die andere: Er möchte nicht, dass ihm dadurch Arbeit abgenommen wird, die ihm vielleicht sogar noch Spass macht. Er möchte nicht, dass hinter seinem Rücken geredet wird oder er als Schwächling dasteht. Er möchte schlichtweg keine Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Einige sagen jetzt vielleicht: «Aber ich will doch wissen, wie es meinem Gegenüber geht – wenn ich ihn nicht frage, meint er, ich sei asozial.»
Ja, mag sein. Aber es gibt meines Erachtens nach noch sehr viele andere Möglichkeiten, deine Sozialkompetenz unter Beweis zu stellen.

«Warum gerade ich?» – Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit
«Was habe ich falsch gemacht?» – Scham, Enttäuschung
«Das kann doch einfach nicht sein.» – Wut, Ärger
«Ich muss das so schnell wie möglich in den Griff bekommen» – Druck, Leistung
«Was hat das zu bedeuten?» – Unsicherheit, Kontrollverlust
«Ich bin nicht genug.» – Selbstzweifel, Vertrauensmissbrauch
«Ich bin schwach.» – Negative Glaubenssätze, Selbstzweifel
«Der Schmerz dominiert mein Leben.» – Unterdrückung, Angst, Kontrollverlust
«Mein Leben hat keine Qualität mehr.» – Kraftverlust, Energieverlust
Diese Liste könnte noch endlos weiter gehen. Das sind nur einige von sehr, sehr vielen Gedankenmustern, die ein chronischer Schmerzbetroffener hat. Und auch die oben ausgeführten Darlegungen sind sehr individuell modifizierbar. Aber sie geben in einem ersten Schritt mal einen Denkanstoss darüber, was in so einem Köpfchen vorgehen kann.
Vielleicht behältst du das in deinem Hinterköpfchen, wenn du das nächste Mal mit einem Betroffenen sprichst 🙂

Perform now, change forever!

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