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Hä?! Ist es nicht so, dass die Deutschen in die Schweiz auswandern?
Jup, kommt dem Anschein nach gerne vor.
Verständlicherweise – die Schweiz hat einfach Charme 😉
Aber nur weil Jonas den Berg hochsteigt, heisst das noch lange nicht, dass ich das genau so üblich mache. Wie sagt man so schön: Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt an die Quelle.

Im heutigen Artikel erzähle ich dir ein bisschen über meine Learnings während des Auswanderungsprozesses und über die ersten Eindrücke am neuen Wohnort.

Während der Phase des gegenseitigen Beschnupperns am neuen Wohn- und Arbeitsort, wurde mir die einleitende Frage oft genau wörtlich so gestellt. Je nach dem, wen ich vor mir hatte, konterte ich mit ebendiesem schweizer Charme. Und das ist zugleich mein erstes Learning: Du wirst mit direkten Fragen konfrontiert, im Gegenzug aber sehr offen angenommen.
Jeder, mit dem ich bis jetzt in dieser Hinsicht ins Gespräch gekommen bin, wusste etwas über die Schweiz zu erzählen und hat die Menschen sowie das Land in sehr positiver Erinnerung. Über den Geschmack des Schweizer Dialekts gehe ich aus Gründen der Neutralität (was ja die Schweiz sein soll) nicht weiter ein.
Das ach so viele Geld, das ach so hohe Gehalt und die immensen Kosten werden dann unmittelbar im Anschluss zur Einstiegsfrage angesprochen.
Isso, wenn ich des Geldes wegen einen beruflichen Perspektivenwechsel durchziehe, dann hätte ich wohl in der Schweiz bleiben sollen. Aber die Rechnung ist auch eine ganz andere. Die Lohnabzüge sind anders, das Krankenkassensystem funktioniert etwas anders und die Alltagskosten stellen sich etwas anders zusammen. Zudem an dieser Stelle ein friendly reminder: DAS GELD IST NOCH IMMER NICHT ALLES! Im Gegenteil. Und jetzt kommt auch schon das nächste Learning: Seit ich in Deutschland wohne, überdenke ich das Konsumverhalten ganz stark. Ich kaufe bewusster ein und lerne, der Versuchung ein Luxusgut anzuschaffen, auch einmal zu widerstehen. Ich schätze vermehrt das, was ich besitze. Manchmal ist es anstrengend, konstant zu überdenken, ob ich etwas kaufe oder nicht. Aber es tut echt mal ganz gut, diese Erfahrung zu machen und hinsichtlich Geld das Bewusstsein etwas zu schärfen.

Und warum genau hier? Der Liebe wegen? NEIN!
Hättest du mir noch vor einem Jahr gesagt, dass ich in ein paar Monaten in Deutschland wohnen werde, hätte ich dir den Vogel gezeigt. Ich hatte komplett, vollkommen und überaus andere Pläne.
Eigentlich wollte ich meinen langersehnten Traum der Selbständigkeit endlich Wirklichkeit werden lassen. Doch das Leben hat manchmal einen ganz anderen Plan mit dir.
Ich stand an einem Punkt im Leben, an dem wohl ein solcher Cut nötig gewesen war.
Ganz offen und ehrlich: Keine Ahnung, wie ich in meiner damaligen beruflichen und privaten Situation und als Studentin mich finanziell hätte in der Schweiz durchschlagen sollen. Ich hatte Angst davor. Ich wusste nicht, wohin mit mir. Und die Möglichkeit, einmal einen komplett anderen Blickwinkel zu erlangen, neue Denk- und Arbeitsweisen kennenzulernen, wollte ich am Schopf packen. Das bewegte mich schlussendlich dazu, den Schritt der Auswanderung zu wagen.
Learning: Kick dich aus festgefahrenen Denk- und Verhaltensmustern raus und begrüsse den Mut, deinen Horizont zu erweitern.

Von anderen Erfahrungsberichten war herauszuhören, dass der Auswanderunsgprozess an sich nicht immer ganz einfach sein soll. Deshalb hatte ich die eine oder andere Sorge. Aber rückblickend betrachtet kann ich Danke sagen. Es verlief alles problemlos. Okay, man berücksichtige, dass Deutschland und die Schweiz Nachbarsländer sind und sich daher gewisse Verfahren etwas vereinfachen.
Während der gesamten Vorbereitungsphase mit dem ganzen Adminkram und was da alles dazugehört, konnte ich stets auf tolle Ansprechpersonen setzen. Bei Unklarheiten wurde freundlich und kompetent weitergeholfen.
Weiteres Learning: Den Mund aufmachen. Sagen, was Sache ist und konkret nach den benötigten Informationen fragen. Ich kam nicht drumrum, mit den Leuten ins offene Gespräch zu kommen und auch mal zu sagen, was ich benötige. Und es tut nicht mal weh. Im Gegenteil, die meisten freuen sich, wenn sie weiterhelfen können.

Und verspürst du manchmal ein bisschen Heimweh?
Ehrlich: Diese Frage kann ich weder mit einem konkreten «Ja» noch mit einem klaren «Nein» beantworten. Es gibt Tage und Stunden, an denen zieht es mich emotional in die Heimat. Die Schweiz ist und bleibt meine Heimat.
Demgegenüber nehme ich eine Neugierde auf die kommenden Zeiten hier in Deutschland wahr.
Ich habe einen tollen Job in einem wunderbaren Team, darf liebe PatientInnen begleiten und mag meinen Wohnort direkt am See sehr! Dennoch stecke ich noch immer inmitten der Verarbeitung des letzten Jahres und werde auch noch eine Weile dafür benötigen. Diese Zeit und diesen Raum gewähre ich mir aber auch.
Learning: Es ist okay, sich die Zeit zu nehmen, die für eine bestimmte Situation nötig ist. Es ist völlig okay, dies auch offen zu kommunizieren und für seine Gefühle einzustehen.
Es ist völlig okay, seinen Zustand gerade auch mal nicht greifen zu können und sich den Raum zu geben, um Gefühle und Gedanken zu ordnen. Es steht niemandem zu, dies zu werten oder in irgendeiner Form Druck aufzubauen. Jeder entscheidet für sich alleine, was in diesem Moment gut und richtig für sich ist.

Bis hierhin habe ich dir ein paar Learnings vorgestellt.
Während den ersten paar Monaten hier in Deutschland, konnte ich auch schon den einen oder anderen Eindruck von der Umgebung und den Leuten gewinnen.
Wenn du an dieser Stelle noch nicht von der Seite abgesprungen bist, erfährst du nun noch bisschen mehr darüber.

Also eines will ich gleich als Allererstes klarstellen:
Liebe SchweizerInnen, hört bitte auf rumzubrüllen, wenn die SBB mal wieder fünf bis sieben Minuten Verspätung hat. Wenn ihr euch wirklich über das Bahnfahren beklagen wollt, dann fährt ihr mal zwei Wochen mit den Öffis über der Landesgrenze hinaus…. 😉
Darüber hinaus gehe ich auf politische und(sozial)-wirtschaftliche Themen nicht ein.
Aber mal abgesehen davon ist der erste Eindruck eigentlich ziemlich positiv.
Es kommt mir hier in teils Hinsicht etwas unkomplizierter, pragmatischer und direkter vor. Das vereinfacht gewisse Dinge. Ist aber für jemanden, der es auch anders kennt, gewöhnungsbedürftig.
Woran ich mich ebenfalls gewöhnen musste, war die teils sehr direkte und offene Art des zwischenmenschlichen Umgangs. Dies kann ehrlichgesagt in einem ersten Moment etwas überfordernd sein, zieht aber durchaus auch positive Aspekte mit sich. Ich durfte und darf noch immer diesbezüglich schon sehr viel lernen von meinen Gegenübern.

Ehrlichgesagt habe ich noch nicht genau herausgefunden, was ich vom Autofahren in Deutschland halten soll.
Die deutschen Autobahnen – des isch son Ding, ne…. Auf der einen Seite nehme ich es im Vergleich zur Schweiz etwas entspannter wahr. Klar, keine Regel ohne Ausnahme. Auf deutschen Autobahnen brätschen sie nicht selten einfach mal mit mindestens 250km/h an dir vorbei, wobei sie in der Schweiz gerne mal den Hintern beschnuppern. Gewisse Überholmanöver sind nicht anzuschauen, muss auch gesagt sein. Aber Deutschland hat in Sachen Autos und Autofahren im Grossen und Ganzen die Nase glaube ich schon vorn.

Die Schweiz ist ein kleines Land. Brauch ma nicht drüber diskutieren.
Hier ist alles etwas grösser bzw. es gibt überall etwas mehr Menschen auf vergleichbar gleich grossen Flächen – z.B. in Einkaufsstrassen, in Restaurants, an öffentlichen Plätzen, in Einkaufsläden und auf den Strassen. Noch immer erschlägt und erschöpft mich diese Masse innert sehr kurzer Zeit. Aber das ist nicht weiter tragisch, da ich sowieso einfach gerne und viel Zuhause bin und Schreibtischromantik pflege.

Im Sommer ganz gemütlich am See den Tag zu starten und den Sonnenaufgang zu geniessen, ist einfach Quality Time pur! Hier habe ich das Glück, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren zu können. Sofern es das Wetter zulässt. Da lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, auf dem Weg einen Boxenstopp einzulegen und das Erwachen der Natur zu beobachten. Diese Stimmung begleitet dich dann über den ganzen Tag. Das ist unglaublich wertvoll. Kein Wunder, dass die BewohnerInnen rund um den Starnberger See eine gewisse Gelassenheit in ihrer Grundstimmung mitbringen.

Eigentlich könnte ich noch einige weitere Dinge aufzählen. Aber in Anbetracht der bereits bestehenden Länge dieses Artikels, mache ich hier mal einen Cut. Zudem sehe ich dies als eine Lebensabschnittsreise und nehme dich mit Hilfe dieses Blogs mit. Wo bliebe da die Spannung, wenn schon jetzt das ganze Pulver verschossen wird =)
Abschliessend bleibt festzuhalten: Solch ein Schritt ist mit viel Planung und Organisation, aber auch mit ganz viel Emotionen verbunden. Eine gewisse Offenheit und Flexibilität erleichtern das Ankommen und Zurechtfinden in der neuen Umgebung. Der direkte Umgang im zwischenmenschlichen Kontakt kann im ersten Moment überfahren, ist aber aus der Metaebene betrachtet in vielerlei Hinsicht hilfreich. Es ist erlaubt, seine persönliche Ruhe- und Kraftinsel aufzubauen und jederzeit dahin zu reisen, wenn das Bedürfnis danach ruft.
Mit Spannung begrüsse ich die kommende Zeit und das, was sie in ihrem Gepäck mitbringt.

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