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Schleichend.
Hinterlistig von hinten hat er sich wieder herangeschlichen.
Er war nie ganz weg, und doch ist er hin und wieder mit etwas Abstand hinter mir her geschlürft.
Und dann war er wieder da.
Meine Schultern waren wieder ziemlich schwer und ich hatte plötzlich wieder absolut keine Kraft mehr, ihn von mir abzulegen.
Dieser tiefgraue, lange Stahlmantel.
Ende November & Anfangs Dezember 2023 zwang er mich erneut in die Knie.
Tränenreiche Wochen, zu wenig Platz im Kopf für all die Gedanken, kurze Nächte und ein Antrieb irgendwo gut versteckt.
Und dann…
Dann kam DER Tag. Oder besser, dann kam DER Moment. Dieser unbeschreibliche Moment. Ich ringe schon wieder mit den Worten, wie ich das beschreiben soll.
Ich war inmitten meiner täglichen Meditation. In dieser Meditation gings grundsätzlich um das persönliche Wachstum, um die Weiterentwicklung und Potenzialentfaltung. Es ging darum, sich bewusst zu werden: «Was kannst du jetzt loslassen, damit du dich entfalten und deinen Wünschen nachgehen kannst? Was aus deiner Geschichte darf nun losgelassen werden?»
Wie aus der Kanone geschossen war für mich klar: Die Depression – der graue Mantel.
Ich intensivierte die Meditation noch ein Stück und war dann sehr tief drin.
Nun wurde ich aufgefordert, es loszulassen. Also stand ich vor einem Kleiderständer, habe diesen Mantel von meinen Schultern abgestreift und ihn an den Haken gehängt. Ich stand vor dem aufgehängten Mantel – dieses tiefgraue Ding, das ich seit mehreren Jahren mit mir rum trug. Ich sah es an, bedankte mich für die lehrreichen Lektionen, verabschiedete mich und lief davon. Die Emotionen überkamen mich. Ich weinte. Vor Freude? Vor Trauer? Vor irgendetwas? Ich kann es dir nicht sagen! Die Tränen kullerten und ich fühlte pure Erleichterung.
Ich war noch inmitten der Meditation, wohlverstanden! Noch nie hatte ich während einer Meditation einen solchen emotionalen «Ausbruch». Und ich hab mittlerweile ein paar Jährchen Meditationserfahrung.
Von diesem Moment an wusste ich ganz genau, JETZT bin ich bereit. Jetzt bin ich verdammt nochmal endlich bereit zu heilen.
Davor war ich es wohl noch nicht. Vielleicht fragst du dich jetzt: «Wie kann man denn für sowas nicht bereit sein?» Kann ich dir nicht genau sagen. Aus psychologischer Sicht gibt es das sogenannte Phänomen des Krankheitsgewinns. Betroffene nutzen einfach gesagt ihre Krankheit, um etwas zu bekommen, sei dies Fürsorge vom Umfeld, vom therapeutischen Personal, oder um bevorzugt zu werden oder was auch immer.
Rückblickend war es bei mir wohl deshalb, damit ich noch für eine Weile in meinen Gedankensmustern und Glaubenssätzen verweilen «kann» und mich nicht in etwas Neues, etwas Ungewisses reinstürzen muss.
Ich genoss diesen Moment noch für eine ganze Weile, verfeinerte die Meditation noch etwas und schloss dann irgendwann ab. Als ich die Augen öffnete – noch immer unter Tränen – sass ich da und dachte: «Okay, Moooment, Stopp! Warte! Was ist das jetzt gerade? Was war das jetzt gerade? Kneift mich bitte mal einer?» Ich verstand in diesem Moment die Welt irgendwie nicht so ganz. Was ich aber ganz genau wusste und auch fühlte war, dass der Mantel nicht mehr auf meinen Schultern hängt. Er wurde verabschiedet. Ich bin leichter, viel leichter. Aber hey, falls du jetzt irgendwie das Gefühl hast…. Nein! Nein ist es nicht! Nein, es ist nicht einfach ein Hinsetzen, bissl in sich hineinspüren, Om-men und weg ist er. Nein!
Dieser Moment war ein Schritt eines davor gestarteten und bis dato und noch viel weiter laufenden Prozesses. Es war der 05. Januar 2024 (übrigens ein Portaltag, dazu komme ich noch). Der Prozess fing schon Wochen davor an. Immer wieder nahm ich wahr, dass sich irgendwas in mir verändert. Manchmal versuchte ich akribisch herauszufinden, was es ist. Bis ich es dann akzeptierte. Ich akzeptierte, dass man manche Dinge im Vertrauen einfach auch mal geschehen lassen darf, damit sie sich ihren Weg bahnen können. Und so wurde der 05. Januar 2024 zu einem Schlüsselmoment, der den Stein so richtig ins Rollen brachte.
An einem Sonntagnachmittag im Dezember sprang mir ein Bild mit einem Spruch in die Augen. Unmittelbar kam ein Gefühl hoch. Seither läufts. Es tut sich so richtig was in mir drin. Es wirbelt sich so richtig auf. Aber im positiven Sinne.
Das war wohl der Startschuss einer spannenden Reise des Neubeginns.

Blog n` Roll

Hinweis: Die Depression ist ein komplexes psychisches Krankheitsbild, welches mithilfe von ärztlichem- und therapeutischen Fachpersonal und einem individuell ausgerichteten, multidisziplinären Ansatz behandelt werden soll.
Auch ich durchlief über einen längeren Zeitraum mehrere Therapien unter Anleitung von medizinischen Fachpersonen und Psychotherapeuten.
Rückschritte nach einem abgeschlossenen Therapieprozess sind normal, wichtig ist der damit einhergehende adäquate Umgang.

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